04 - Diagnose: Seltene Erkrankung
Shownotes
Viel wussten die Ärzte nicht, über seine Erkrankung, als Werner die Diagnose "seltene Erkrankung" bekam. Google meinte, er hätte noch etwa 3 Jahre - das ist nun über 10 Jahre her und es geht ihm gut.
Eine seltene Erkrankung diagnostiziert zu bekommen, heißt oft auch, dass es schwierig ist, an richtige Informationen zu gelangen.
In dieser Episode sprechen MPN-Patient:innen darüber, wie es ihnen bei der Diagnose ging. Aber auch darüber, wie sie mit den Auswirkungen wie Fatigue umgehen und was ihnen die Erkrankung gelehrt hat.
MPN Erkrankungen sind eine Gruppe von Blutkrebserkrankungen.
Je nach MPN Erkrankung werden entweder rote oder weiße Blutkörperchen, oder Blutplättchen oder alle drei dieser Blutzellen mehr als notwendig produziert.
Dadurch ergibt sich auch, dass es unterschiedliche MPN Erkrankungen gibt, wobei sich eine in die andere weiterentwickeln KANN. Von der Policitemea Vera über die Essenzielle Thrombozythämie bis zur Primären Myelofibrose.
Für MPN Erkrankungen gibt es in Deutschland, Österreich und der Schweiz Patient:innen-Netzwerke:
Deutschland: https://www.mpn-netzwerk.de/
Österreich: https://mpnaustria.com/
Schweiz: https://mpnschweiz.ch/
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AOP - AB JETZT IST ALLES ANDERS
EP 4: Polycytha-Was? Leben mit einer seltenen Erkrankung
Hallo und willkommen zur Podcast-Serie Ab jetzt ist alles anders? Leben nach und mit einer schwerwiegenden Diagnose.
In dieser Podcast-Serie widmen wir uns den mentalen Herausforderungen, die eine schwerwiegende Diagnose mit sich bringt.
In Episode 1 haben wir viel über die ersten großen Fragen gesprochen die die meisten Menschen kurz nach einer Diagnose haben: Von: Muss ich meinem Arbeitgeber Bescheid geben, bis zu: Wie spreche ich darüber mit meinem Umfeld? In Ep 1 geht es um den Schock, den so eine Diagnose auslösen kann.
In Episode 2 widmen wir uns den Krisen und Methoden zur Krisenbewältigung: Wo finde ich meine Stärke wieder?
Und in Episode 3 dreht sich alles darum, wie ein gutes Leben mit einer chronischen Krankheit aussehen kann. Wie kann man eine Erkrankung ins Leben integrieren? Mit ihr leben?
Und heute, hier, in EPISODE 4 - soll es mal ein bisschen spezifischer um eine Krankheit gehen, mit der all die Menschen diagnostiziert wurden, die hier im Podcast schon zu Wort kamen: mit sogenannten MPN Erkrankungen - so nennt sich eine Gruppe an seltenen Blut- Erkrankungen zu denen unter anderem die Polycythaemia vera gehört.
Dabei sprechen wir sprechen nicht über spezielle Therapien. ,
Wir sprechen hier darüber, was es bedeutet, mit einer chronischen Krankheit diagnostiziert zu werden, die noch dazu eine seltene Erkrankung ist und und zum Teil progressiv fortschreitet.
Was können MPN-Patient:innen darüber sagen, wie es ist eine Lebenserwartungsdiagnose gestellt bekommen zu haben? Wie gehen sie mit den Auswirkungen wie extremer Müdigkeit oder Fatigue um? Und wie ist es, wenn Menschen einem die Krankheit gar nicht ansehen?
Willkommen also bei Episode 4 dieser Serie -
Mit dem Titel Polycytha-Was? Leben mit einer seltenen Erkrankung.
Mein Name ist Iris Borovcnik, ich bin Journalistin und habe für diesen Podcast die Interviews geführt und recherchiert.
Finanziert wurde die Podcast-Serie dankenswerter Weise durch die AOP Health.
…
Polycytha-Was ..? Dachte sich Werner, als er vor mittlerweile über 10 Jahren seine Diagnose bekam.
Von den selben Ärzten, die seinen Arbeitskollegen kurze Zeit davor mit Darmkrebs diagnostiziert hatten.
Das konnte kein gutes Zeichen sein. Aber wer wusste schon, was das zu bedeuten hatte?
WERNER: Und das hat das Ganze natürlich nicht leichter gemacht, weil ich wusste, dass da ernste schwere Krankheiten behandelt werden. Und ich bekam die Diagnose einer Krankheit, von der man noch nie gehört hatte. Polycytemia vera, man konnte ja am Anfang nicht mal die Namen aussprechen.
Es ist eine seltene Krankheit.Und man musste dann eben auf diese Station gehen, wo der Kollege behandelt wurde. Das war natürlich eine zusätzliche Belastung, weil man wusste, dass da schwerkranke Krebspatienten behandelt werden.
Die Hämatologie und die Onkologie sind in Deutschland eins. Das ist eine Berufsgruppe. Und das erschreckt einen ja auch nochmal, wenn man zu den Onkologen muss, weil man weiß, man hat eine Krebsdiagnose oder es ist ein Krebs. Und das war auch am Anfang ein großes Thema. Ist das Krebs, ist es nur eine chronische Krankheit? Also das hat einen lange beschäftigt, beschäftigt viele Patienten eigentlich, immer wieder.
Damals, so beschreibt Werner es, wussten sehr wenige Menschen etwas zu seiner Krankheit zu sagen. Die Hausärztin meinte, er wäre damit in München wohl alleine. Und auch google half ihm nicht weiter: denn dort las er: dass seine Lebenserwartung etwa 3 Jahre wäre.
Heute wird das gänzlich anders beurteilt. Und Werner ist eines der vielen Beispiele dafür, dass die Diagnose mit einer MPN Erkrankung, obwohl sie oft als BLUTKREBS bezeichnet wird, nicht so drastisch verlaufen muss, wie das hier angenommen wurde.
Die Lebenserwartungen mit einer MPN sind sehr, sehr viel höher und auch ein Leben mit einer dieser chronischen und seltenen Erkrankungen kann sehr gut und ohne viel Einschränkungen möglich sein. Wir werden in dieser Episode noch einige Erfahrungen dazu hören.
Zunächst aber zurück zu Werner, und zu der Situation in der er sich da befand.
Werner bekam die Diagnose kurze Zeit vor seiner jährlichen Reise nach Irland, wo er immer zum Fischen hinfuhr. Sollte er überhaupt fahren?
Das ist nun - ich möchte es nochmal sagen - 13 Jahre her. Doch damals fühlte sich die Zukunft für ihn anders an:
WERNER:
Dann hatte ich das dem Freund gesagt, du pass auf, ich habe da jetzt eine Diagnose bekommen, die im Urlaub eine Rolle spielt. Wir müssen da vorsichtig sein.
Er war natürlich auch geschockt. Wir trafen uns vor dem Abflug am Flughafen. Meine Frau hat mich zum Flughafen gefahren, seine Frau hat ihn gebracht. Wir saßen zu viert, saßen wir da, und hatten gewartet, bis der Schalter geöffnet hat, haben noch ein Kaffee getrunken. Wir haben nur geschwiegen, weil wir nicht wussten, wie wir mit dieser Situation umgehen können. Was uns erwartet, wie das weitergeht.
Ich kann mich erinnern, wir waren damals vielleicht zehn Tage in Irland. Wir wohnten in einer Pension. Ich bin früh aufgewacht, lag mit dem Gesicht zur Wand und dachte, wie geht das jetzt alles weiter? Ich konnte mich überhaupt nicht aufs Fischen konzentrieren. Ich dachte immer, nur ist das jetzt mein letzen, sind das jetzt meine letzten Tage in Irland. Wie wir Abschied genommen haben von der Gastgeberin, ging mir durch den Kopf, ist das jetzt das letzte Mal, dass wir uns sehen. Man ist total verunsichert. Das war vielleicht zwei Monate nach der Diagnose. Diese Anfangszeit ist besonders schwierig.”
Auch Thomas, ebenso MPN Patient, erzählt von sehr ähnlichen Erfahrungen:
THOMAS: Ich glaube, das ist sogar noch auch fast typisch für MPN-Patienten, die hören, du hast ne chronische Krankheit, mittlerweile ist es ja sogar als Blutkrebs klassifiziert, wo man sagt, oh Gott. Wo, wenn man anfängt zu googeln, steht da ja Lebenserwartungen, grob zwei Jahre, alles wird ganz schlimm und die Leute haben wahnsinnig Angst zu sterben. Was ganz oft gar nicht so berechtigt ist. Und das war auch in meinem Fall so, dass wir erst dachten, boah, keine Ahnung, wie soll es denn überhaupt weitergehen und wie lang hat man denn noch. Und nachdem wir dann auch die richtigen Experten gefunden haben, die sich der Sache angenommen haben, hatten die dann eben eine ganz andere Einschätzung von der akuten Krankheitssituation, als mir die ersten Ärzte, die beteiligt waren, gesagt hatten.
Die hatten direkt von Stammzeltransplantationen gesprochen und sagten, wahrscheinlich werden sie keine 40 und mit Sicherheit keine 50 ohne Stammzeltransplantation. Also da bin ich mir ganz sicher. Und dann war ich bei ganz argen Experten, die gesagt haben, also in ihrem Fall machen sie keine Änderung der Lebensplanung. Wenn sie ein Kind bekommen wollen, bekommen sie ein Kind, bauen sie ein Haus und so weiter und so fort, das kann man alles durchaus vertreten, wenn Sie das so wollen.
5 Jahre ist das nun her und Thomas hat in der Zwischenzeit tatsächlich ein Kind bekommen.
Bis man nun aber bei diesen Experten-Ärzten ist dauert es. Das Problem liegt wohl daran, dass MPN Erkrankungen eben seltene Erkrankungen sind.
In der EU gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind.
6.000 solcher Seltenen Erkrankungen gibt es und jährlich kommen - durch Forschung - circa 250 neue Erkrankungen hinzu.
Also kann man den Ärzten und Ärztinnen dann das auch nicht so wirklich zum Vorwurf machen, wenn sie keine direkten Erfahrungen mit MPN Erkrankungen gemacht haben.
Aber was sind nun MPN Erkrankungen?
MPN steht für Myelo-proliferative Neoplasien. Und im Namen steckt auch die Erklärung:
Myelo- → Bezieht sich auf das Knochenmark, der Ort an dem die Blutbildung stattfindet.
Proliferativ → Bedeutet schnell wachsend
Und Neo-plasien → Bedeutet eine neue Wucherung
Was dabei im Körper passiert ist folgendes:
Man hat übereifrige Stammzellen im Knochenmark, die zu einer Überproduktion von Blutzellen führen.
Je nach MPN Erkrankung werden entweder rote oder weiße Blutkörperchen, oder Blutplättchen oder alle drei dieser Blutzellen mehr als notwendig produziert.
Dadurch ergibt sich auch, dass es unterschiedliche MPN Erkrankungen gibt, wobei sich eine in die andere weiterentwickeln KANN. Von der Policitemea Vera über die Essenzielle Thrombozythämie bis zur Primären Myelofibrose.
Die Risiken, die durch MPN Erkrankungen entstehen sind:
Thrombosen, Embolien, Herzinfarkte und Schlaganfälle. Und in weiterer Folge: Eine Vernarbung des Knochenmarks.
Das Damoklesschwert, das mit einer MPN Erkrankung über einem hängt ist, dass es schlimmer werden kann. Dass die Erkrankung progressiv fortschreitet,
dass sie sich von einer MPN mit der man gut leben kann weiter entwickeln könnte zu einer anderen Blutkrebsart, die sehr viel lebensbedrohlicher ist.
Denn: für alle MPN Erkrankungen gibt es - NOCH - keine Heilung.
Denn wenn ich sage, man kann gut damit leben, dann bedeutet das zwar, dass man in vielen Fällen nicht direkt mit bedrohlichen Situationen und Krankenhausaufenthalten zu tun hat, aber dass MPN sehr wohl Auswirkungen auf das Leben hat oder haben kann.
Juckreiz ist zum Beispiel eine dieser Auswirkung von MPN Erkrankungen, die nicht lebensbedrohlich, aber wirklich extrem unangenehm ist.
Oder Fatigue. Also eine chronische Erschöpfung, die so weit gehen kann, wie Vanessa es erzählt, Tage haben kann an denen man es nicht mal schafft die Spülmaschine in einem Schwung auszuräumen.
Diese Auswirkungen sieht man aber oft von außen nicht.
Thomas sagt dazu:
THOMAS: Ja, bzw. da gibt es auch gerade bei den MPN-Patienten eine große Dissonanz zwischen dem, wie die Patienten erlebt werden oder gesehen werden und dem, wie die Patienten sich selber fühlen. Also, oftmals sind die Leute, die sich am schlechtesten fühlen, sehen total gesund aus. Wenn man jetzt an den Polycythaemia Vera denkt, haben die eine ganz gesunde Gesichtsfarbe und laufen ja oftmals ganz normal daher, so dass man denen nichts ansieht, dass man diese Fatigue, die die Leute zum Teil verspüren, die dann, die die behindern mehr als eine Sache am Tag zu machen. Also es gibt einfach Leute, die leiden so sehr, dass wenn sie Wäsche waschen müssen, dann wissen die, okay, heute wasche ich Wäsche. Also muss ich morgen einkaufen, weil zwei Sachen am Tag schaffe ich nicht. Oder wenn ich jetzt ein Stockwerk laufen muss, plan ich ein, dass ich fünf Minuten gehe, weil zwischendurch muss ich auf der Hälfte irgendwie Pause machen.
Das sieht man den Leuten nicht immer an. Und so kriegen die nicht immer eine Akzeptanz.
Und das ist, glaube ich, eine ganz, ganz schwere Sache, wenn man da einfach dann nicht ernst genommen wird. Und das kann ja niemand nachfühlen, ich auch nicht. Gott sei Dank zum Glück, der das nicht selber erlebt hat.”
In einer australischen, wissenschaftlichen Studie (https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9875604/#cnr21655-sec-0018), durch die versucht wurde die reale Erfahrung von Fatigue bei MPN Patient:innen zu verstehen, sagte eine Patientin folgendes:
“… es ist ja nett, wenn Leute sagen „Mensch, du siehst gut aus“, aber es kann in Wahrheit auch wirklich ärgerlich sein, weil man sich dabei denkt … ich bin so müde, fühle mich mies und alles, was man hört, ist, wie toll ich aussehe.”
Wie schwierig das ist, erzählt auch Ingrid:
INGRID: Weil, wenn jemand keine Ahnung hat, und man hört dann irgendwie so: naja man sieht dir ja gar nichts an, und eigentlich tut das ein bisschen weh sogar, solche Aussagen.
Von Fatigue sind bis zu 95% der MPN Patient:innen betroffen. Es ist das häufigste Symptom der Erkrankung.
Wobei auch das -also die Fatigue - unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann.
Vanessa zum Beispiel ist eine Person, die die Fatigue sehr, sehr stark spürt.
VANESSA: Also ich bin halt auch leider einer der Fälle, der so sehr stark unter Symptomen leidet trotz Therapie. Das heißt ich bin nicht arbeitsfähig, bis auf weiteres, ich hoffe natürlich, das ändert sich irgendwann wieder, dass es einfach auch eine Erschöpfung der letzten Jahre ist, die da noch nachwirkt. Aber ich bin schon sehr eingeschränkt, so dann finanziell und energiemäßig und darauf aufbauen muss man natürlich Lebensentscheidungen treffen, also eine Familie wäre jetzt überhaupt nicht realistisch aktuell, so vielleicht später weiß man nicht, aber wenn ich eins so jetzt dann in den letzten Jahren dadurch gelernt habe, ist es einfach auch dieses nicht so weit voraus zu gucken, weil das so egal ist. Also dass ich eher versuche, gerade mit dem klarzukommen, was geht und es ist gut, wenn ich mal zwei, drei Stunden irgendwie jemanden treffen kann oder wenn dieses Interview stattfinden kann, dann ist das erst mal gut und mehr kann ich gerade eh nicht machen.
Bei Thomas ist das wiederum ganz anders. Er meint von sich selbst, dass er in einer sehr privilegierten Situation ist und wenig Auswirkungen der Krankheit spürt. Er kann arbeiten und Freunde treffen und hat sich deswegen auch dazu entschieden mit seiner Frau ein Kind zu bekommen.
THOMAS: Also, man muss dazu sagen, die Entscheidungsgewalt lag da zu 60 Prozent bei meiner Frau und nur zu 40 Prozent bei mir. Wir haben das sehr, sehr gemeinsam entschieden und ich habe ihr da mehr Entscheidungsrecht eingeräumt, weil sie letzten Endes mit den Konsequenzen leben muss oder länger mit den Konsequenzen leben muss als ich, wenn es jetzt doch anders läuft als geplant und gehofft, dann bin ich halt nicht mehr da und sie steht mit dem Kind in Anführungsstrichen alleine da und muss die Suppe auslöffeln, sage ich jetzt mal.
Dementsprechend war ihre Meinung da noch wichtiger als meine. Aber wir haben beide gesagt, dieses Kind macht so viel Freude und das war ja genau das, was wir eigentlich beide wollten und niemand weiß, ob man nicht morgen irgendwie vom Auto überfahren wird oder was auch immer passieren kann.
Auch Werner war noch mehr als dieses eine Mal in Irland beim Fischen. Und auch er lebt seit über 10 Jahren mit einer MPN Erkrankung.
Genauso wie Ingrid, die ebenso weiter arbeitet und das auch genießt, wie sie sagt.
Was mir alle Menschen mit einer MPN Erkrankung erzählten war, wie wichtig es für sie an einem gewissen Punkt war, eine Selbsthilfe- oder Patientengruppe zu kontaktieren. Denn auch wenn MPN Erkrankungen selten sind, gibt es - vielleicht auch genau deshalb - Gruppen, in denen sich Menschen treffen und sich untereinander über diese Krankheiten und ihre Erfahrungen austauschen.
INGRID: Das war schon eine große Aufregung und Erlebnis für mich, also wie mich dann das erste Mal mit einer anderen Person unterhalten habe und ich in dieser Patientengruppe gelandet bin, mit vielen Experten, wo ich dann gesehen habe: Ja, ich bin in guten Händen, auch in meinem Landkrankenhaus. Ja. Von dem Zeitpunkt an ist es auch wirklich gut aufwärts gegangen mit mir.
Ein Leben mit einer MPN Erkrankung kann ganz unterschiedlich aussehen. Von Menschen, die wirklich sehr stark eingeschränkt sind in ihrem täglichen Leben bis zu Menschen, die ihr Leben - fast so leben, wie ohne Diagnose. Allerdings mit dem Damoklesschwert der Diagnose über einem.
Die Wissenschaft forscht und sucht nach Medikamenten, die diese Krankheiten an der Wurzel packen und tatsächlich heilen können. Das ist auch die Hoffnung für viele, wie Thomas das ausdrückt: Dass rechtzeitig ein Medikament zur Heilung gefunden wird.
Lebensverändernd und lebenseinschneidend war die Diagnose für alle, mit denen ich gesprochen habe. Aber die Diagnose hat auch zu einer - wie ich finde - bewundernswerten mentalen Stärke und einer eindrucksvollen Sicht aufs Leben geführt:
IRENE: Diese Krankheit hat auch irgendwie mein Leben bereichert. Ich hab so nette Menschen kennen gelernt. In dieser Patientengruppe und auch darüber hinaus. Und das ist auch das Schöne daran. Und ich hab dann auch gelernt die Menschen, die mir nicht gut tun, und das sind nicht so viele, von denen hab ich mich dann distanziert. Wo ich mir gedacht habe: Ich möchte mich nur noch mit Menschen umgeben, die mir gut tun. Die auch positiv eingestellt sind. Und die nicht glauben ich bin der Mistkübel und sie müssen da ihren Ballast abwerfen bei mir immer. Und von dem hab ich mich distanziert und das tut mir auch gut. Das hätte ich früher nicht zusammen gebracht, dass ich so einen Schritt mache. Aber das ist auch ein Teil, der mir gut tut.
Oder Thomas erzählt mir von einem Buch, das ihm geholfen hat:
THOMAS: Also, ich habe in meiner ganzen Beschäftigung mit allem, auch den psychischen Herausforderungen, irgendwie ein Buch gelesen, das heißt das Deadline-Experiment. Ich weiß jetzt gerade den Autor nicht, aber es ist ein Pfarrer, ein evangelischer Pfarrer, der sich überlegt hat, okay, ich tue jetzt mal so, als würde ich in vier Jahren sterben und wie würde ich dann mein Leben leben? Und das ist so eine Überlegung und Ansichten, die ich so ein bisschen übernommen habe, die in meinem Fall vielleicht einfach realer sind als in seinem Fall, aber wo dann, wenn man sich die Sachen so überlegt, auf einmal ganz andere, wo man ganz andere Entscheidungen trifft. Wo man dann sagt, lohnt sich jetzt dieser oder jener Streit? Muss ich dieses oder jenes ausfechten? Oder mache ich weiter meinen Job, arbeite ich mehr, arbeite ich weniger oder wie ist es?
Und in meinem Fall muss man sagen, ich bin Musiker und habe mein Hobby zum Beruf gemacht und ich liebe auch diesen Job. Ich liebe es für meine Familie da zu sein und mit meinem Kind zu spielen und die Entscheidung ist für mich, okay, der Garten sieht nicht so aus wie es sein sollte, da gibt es mehr Unkraut und so, aber ich bin öfter mit meinem Kind im Schwimmbad oder was weiß ich, was mache solche Sachen, weil die einfach wichtiger sind. Und ich da mein Leben so lebe als hätte ich wirklich nur die vier Jahre und versuche das dann doch möglichst viel auszukosten. Oder ich habe eine Leidenschaft für gutes Essen, was ich mir vielleicht eigentlich gar nicht so leisten sollte, aber mache ich eben trotzdem, weil wer weiß wie lange ich noch lebe, also, gehe ich auch mal gut essen, ja, also und gebe da unsinnig Geld für aus, ja. Und so, meine Frau macht das alles mit und findet das glaubt auch gut so und dementsprechend, ja, passt das.
Oder Werner:
WERNER: Man muss auch in gewisser Weise auf sein Glück auch vertrauen. Also dieses Urvertrauen, das spielt sicher auch eine Rolle. Das wieder zu beleben. Wieder zu finden, das ist auch ganz wichtig. - IRIS: Wie haben Sie das wieder gefunden? WERNER: In dem das Leben weiter geht. Das Leben ist eine Alternative dazu, zu der Krankheit. Das muss man dann schlicht so sagen: Weiter leben.
Und von Vanessa können Sie sehr viel Inspirierendes in Episode 3 hören.
Ja und damit sage ich tschüss und bis zur nächsten und letzten Episode dieser Serie, in der wir über Angehörige sprechen.
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