07 - Was ist eine richtige, was eine gute Entscheidung?
Shownotes
Die Frage nach der richtigen Entscheidung treibt viele Patient:innen und Angehörige an. Was ist richtig, was ist falsch? Wie finde ich das für mich heraus?
Deswegen widmen wir uns in den nächsten 5 Episoden allen nur erdenklichen Fragen rund um das Thema "Entscheidungen treffen": Wann soll ich meine Therapie wechseln? Oder den Arzt/die Ärztin wechseln? Soll ich an einer klinischen Studie teilnehmen? Wie kann ich das Risiko für mich verstehen? Wie wäge ich zwischen rationalen Argumenten und dem Bauchgefühl ab? Und wie finde ich für mich heraus, was für mich richtig und was falsch ist?
Das hier ist Folge 1 aus Staffel 2 des Podcasts Ab jetzt ist alles anders? Leben nach und mit einer schwerwiegenden Diagnose.
Falls dieser Podcast für Sie hilfreich ist, leiten Sie ihn doch bitte gerne an Personen weiter, die das auch interessieren könnte, und lassen Sie uns eine Sterne-Bewertung in der App da. Das hilft anderen Menschen, diesen Podcast zu finden. Danke!
..... SHOWNOTES .....
Dieser Podcast ist finanziert durch die AOP Health. Produktion: sisigrant
**Erwähnte Vereine: **
Lobby4Kids: https://www.lobby4kids.at/ NF Kinder: https://www.nfkinder.at/ MPN Netzwerk Deutschland: https://www.mpn-netzwerk.de/
Übersicht über Psychoonkologische Beratungen Deutschland:
-
https://www.oncomap.de/partners?selectedSpecialties=[Psychoonkologie]&showMap=1
-
https://www.psycho-onkologie.net/finder/suche.html
Österreich:
- https://www.oegpo.at/therapeutinnen-liste/
Schweiz:
- https://www.psychoonkologie.ch/de/betroffene-angehorige/psychoonkologische-unterstutzung-finden/lapos
Weiterführende Links
Online-Selbsthilfe-Programm der AOK: Familiencoach Krebs: https://krebs.aok.de
Empfehlungen für Heranwachsende und junge Erwachsene mit Krebs: https://www.onkopedia.com/de/ayapedia/guidelines
MPN Selbsthilfegruppen
Deutschland: https://www.mpn-netzwerk.de/
Österreich: https://mpnaustria.com/
Schweiz: https://mpnschweiz.ch/
Patient:innensprechstunde Ask An Expert zu Polycythaemia Vera https://ask-an-expert-live.de/
Krebshilfe
Deutsche Krebshilfe: https://www.krebshilfe.de/
Krebshilfe Österreich: https://www.krebshilfe.net/
Krebshilfe Schweiz: https://www.krebsliga.ch/
Transkript anzeigen
Hallo und willkommen beim Podcast Ab Jetzt ist alles anders. Leben nach und mit einer schwerwiegenden Diagnose. Und willkommen zur ersten Episode aus Staffel 2. In diesem Podcast richten wir uns ja an Patient:innern und Angehörige unabhängig der Diagnose, denn wir sprechen weder über spezifische Krankheitsbilder noch über konkrete Behandlungsmethoden. Und die Patientinnen, von denen Sie hier hören werden, haben alle sehr unterschiedliche Diagnosen und Krankheitsverläufe. Der Grund dafür ist, dass wir uns in diesem Podcast auf die Auswirkungen einer Diagnose auf unsere Psyche, auf die mentale Seite, auf die vielen Fragen konzentrieren, die nicht direkt mit der Krankheit selbst, sondern mit allem rundherum zu tun haben.
Denn eine schwerwiegende Diagnose, egal welche, ist ein einschneidender Punkt im Leben, der vieles verändert. Falls ihre Diagnose oder die Diagnose einer angehörigen Person noch sehr frisch ist, dann ist es für Sie vielleicht besser mit Episode 1 aus diesem Podcast zu beginnen. Dort geben nämlich Betroffene und Expertinnen Antworten auf die allerersten Fragen, die fast alle Menschen nach einer Diagnose stellen. Wie spreche ich mit meinen Freunden und meiner Familie über die Krankheit? Muss ich meinem Arbeitgeber Bescheid geben? Welche Rolle spielen Patientinnengruppen? Und wie kann ich auch mit einer Diagnose wieder lernen, auch ein gutes Leben zu leben? Hier in dieser und in den kommenden Episoden blicken wir einen Schritt weiter, denn wir haben uns vorgenommen, eine Frage wirklich grundlegend und von allen nur erdenklichen Seiten zu betrachten.
Die Frage ist: Wie treffe ich eine gute, eine richtige Entscheidung? Puh, was für eine Frage. Also diese Frage überfordert ja schon viele Menschen im alltäglichen Leben ohne Krankheit. Wie nun aber soll man für sich oder noch schwieriger für die eigene erkrankte Tochter oder den eigenen erkrankten Sohn? Wie soll man für diese Person oder für sich selbst richtig entscheiden, welche Therapie man nehmen soll, ob man bei einer klinischen Studie teilnehmen soll, ob man den Arzt oder die Ärztin wechseln soll und so weiter und so fort. Eine Diagnose wirft unweigerlich sehr viele Entscheidungsfragen auf und das Risiko bei einer falschen Entscheidung ist oft hoch. Wie also damit umgehen.
Um ein wirklich breites Erfahrungsspektrum abzudecken, haben wir dafür mit wirklich vielen Menschen gesprochen, mit Claas und Irene, die jeweils als Elternteil eines Kindes mit einer seltenen Erkrankung oft vor wirklich schweren Entscheidungen standen. Mit Peter und Armin, die als Patienten selbst die Erfahrung von klinischen Studien kennen, mit den Cancer Nurses Claudia Kasamas und Annibelle Call, mit der Ärztin Haifa Kathrin Al-Ali und mit Lisa Göschlberger, einer klinischen Psychologin, die uns durch die Psychologie der Entscheidung führen wird. Wir teilen die Antworten hier in fünf Episoden auf mit jeweiligem Schwerpunkt.
Bevor es nun losgeht, aber noch kurz zu mir und zu diesem Podcast. Mein Name ist Iris Borovcnik und ich bin Journalistin. Genauso wie meine Kollegin Sandra Herbsthofer, die auch ganz wesentlich an der Recherche und an den Interviews zu dieser Staffel beteiligt war. Dieser Podcast wird finanziert von der AOP Health.
Also, wie trifft man eine richtige, eine gute Entscheidung? in einer Situation, die den Alltag erstmal sprengt, die eine Ausnahmesituation ist. In der allerersten Episode dieses Podcasts hatten wir von Michael Köhler, einem Psychoonkologen, gehört. Ein Psychoonkologe ist ein Psychologe, der sich hauptsächlich mit Krebspatientinnen und deren Angehörigen beschäftigt und er meinte
Michael Köhler: Prinzipiell sage ich immer am Anfang, also gerade in der Krebsdiagnosesituation, wenn die neu ausgesprochen war, ist erst einmal alles erlaubt.
Nach der Diagnose ist erstmal alles erlaubt, denn man muss sich mit dieser neuen Lebenssituation abfinden. Man muss den ersten Schock überwinden und das braucht Zeit und das darf es auch. In dieser ersten Situation ist es besonders schwierig, Entscheidungen zu treffen. Also, wie kommt man nun aus diesem Schock heraus? Lisa Göschelberger ist klinischer Psychologin und Verhaltenstherapeutin und arbeitet in ihrer Praxis mit Menschen, die mit einer chronischen Krankheit leben und sie sagt, dass es, wenn man keinen Boden unter den Füßen spürt, auf dem Aufbauend man Entscheidungen treffen kann, dass es dann erst mal wichtig ist, sich auf die Suche zu machen und sich folgendes zu fragen,
Lisa Göschlberger: Was ist denn das, was geht? Was ist das, was geht? Und was ist das, was hilfreich ist? Wo habe ich und wenn das auch nur kleine Dinge sind, ja, wo wo ist etwas, wo ich so das Gefühl habe, ich habe Kontrolle? Ja, und es können auch manchmal so ganz paradoxe Dinge sein, ja, wo Leute dann sagen, jetzt spinnt er komplett, ich weiß es nicht, das ist ja nicht wichtig jetzt jetzt werden andere Dinge wichtiger. Ja, wie war z.B. und sagt, okay, jetzt hat er auf einmal angefangen weiß jetzt sein Auto zu putzen. Das ist ja egal. Wer weiß vor jemals wieder mit dem Auto? Also das ist auch oft für Angehörige oder für Außenstehende so ganz irritierend, aber zu sagen, okay, nein. Ja, das darf sein. Ja, weil das ist halt jetzt irgendwie etwas, da habe ich Kontrolle.
Wenn also so etwas paradoxes wie ein Auto zu putzen dabei helfen kann wieder sich zu finden, ein Gefühl für sich zu entwickeln, sich handlungsfähig zu fühlen, dann ist es nicht nur okay, sondern vielleicht sogar auch wichtig Dinge zu tun, bei denen man wieder die Kontrolle über einen Teil des eigenen Lebens spürt und damit auch die eigenen Ressourcen zu entdecken. Das heißt, herauszufinden, was einem selbst gut tut.
Lisa Göschlberger: Denn das Wichtige ist, wenn das denn möglich ist, Zeit nehmen. Ja, also wirklich und natürlich je, ich sage jetzt mal, je lebensverändernder die Entscheidung ist oder die die Folge der Entscheidung umso mehr Zeit, ja, sollte man sich einfach auch geben. Ja, also ich glaube, das ist ein mal so das das Punkt eins. Ja, ich muss mich nicht sofort für immer und fix dafür entscheiden, ja? Sondern nur sagen, okay, ich nehme mal Zeit dafür, ich wäge das ab, ich nehme mir Zeit dafür und ich wäge das ab.
Wenn das möglich ist, wenn das zeitlich möglich ist, dann ist ein ganz praktischer Tipp zu sagen, ich gebe mir ein spezifisches Zeitfenster, z.B. bis Ende der nächsten Woche. Ich nehme mir bis Ende der nächsten Woche Zeit diese Entscheidung zu treffen. Ich muss mich nicht sofort entscheiden, denn damit kann man erstmal den Druck rausnehmen und wenn man dieses Zeitfenster vielleicht auch braucht, um die ersten starken Emotionen zu verarbeiten, denn das sagen wirklich alle.
Alle Expertinnen werden nicht müde, es zu betonen. Es ist selbst für die rationalsten und verantwortungsbewusstesten Menschen erlaubt, Gefühle zu haben und es ist erlaubt darüber zu sprechen. Es ist erlaubt Gefühle zu zeigen auch für Mütter, für Väter, für Menschen mit Kindern. Man darf selbst unangenehme Gefühle haben und man darf die zeigen. Der einzige Unterschied liegt darin, wie ich wütend bin.
Ja, ich darf aber jetzt niemanden körperlich angreifen. Das ist ein Unterschied. Ja, und ich darf traurig sein und das dürfen auch Angehörige, Kinder sehen. Ja, natürlich ist es jetzt nicht ist es für Kinder belastend, wenn sie in so einer Situation alleine gelassen werden? Das ist das Entscheidende, weil ich kann, … Weil das andere ist, Belastungen, Herausforderungen gehören zum Leben dazu. Die Frage ist, wie geht man damit um? Ja, und ich glaube, das ist einfach wichtig, dass man sich in so einer Situation, glaube ich, auch möglichst breit aufstellt, ja, das heißt zu sagen, was gibt's für eure Hilfen und welche Hilfen kann ich in Anspruch nehmen und welche Hilfen tun mir auch wirklich gut.
Mit Hilfen meint sie hier einerseits professionelle Hilfen wie Psychoonkolog:innen oder Therapeut:innen, das Pflegepersonal, Menschen aus dem medizinischen Umfeld und andererseits Ressourcen in ihrem Leben, die Freundin, die einfach mal vorbeikommt, der Wald, in dem man spazieren geht. Falls Sie nun aber ein Mensch sind, bei dem sich der Gedankenkreisel im Kopf immer und immer weiterdreht, dann hat Lisa Göschlberger eine sehr praktische Empfehlung, eine Übung, die Ihnen helfen könnte, nämlich folgende:
Lisa Göschlberger: Dass man so einen Art Sorgenstuhl nenn man das macht, das heißt, wo man wirklich sagt, okay und ich nehme mir z.B. einmal am Tag ganz bewusst, ich stell mal sogar einen Wecker 15 Minuten Zeit und da beschäftige ich mich dann mit. Ja, und die restliche Zeit sage ich nein, jetzt nicht, weil jetzt ist nicht diese Zeit, wo ich mich mit dem beschäftig.
Das Ziel ist dabei mit diesem Sorgenstuhl eine Zeit zu schaffen, in der man sich Sorgen macht und eine andere Zeit, in der man gewissermaßen Urlaub von diesen Sorgen hat. Das ist eine Übung, die jede Person selbst ausprobieren kann, aber sie erfordert auch einiges an Übungen. Also es wird nicht immer gleich klappen. Es geht also darum, einerseits den Kopf klarer zu bekommen, weniger ausschließlich in Sorgen, sondern auch in Möglichkeiten denken zu können und andererseits ein Gespür für sich selbst zu entwickeln. Was tut mir gut? Wie kann ich mich handlungsfähig fühlen? Zwei sehr wesentliche Grundlagen, auf denen aufbauend man besser Entscheidungen treffen kann. Und dann kann man sich dann einfach rational entscheiden, braucht es dann einfach ein rationales Abwägen von Informationen. Oder gibt es da immer ein Gefühl, etwas, das wir Bauchgefühl nennen? Darf dieses Bauchgefühl mitentscheiden? Treffen wir darauf aufbauen die richtige Entscheidung? Oder ist die richtige Entscheidung immer eine rationale Entscheidung?
Claas Röhl ist z.B. ein Mensch, der sich selbst bestimmt auch eher als rational beschreiben würde. Seine Tochter wurde schon als Baby mit einer seltenen Erkrankung diagnostiziert, die sich Neurofibromatose nennt. Als Folge davon entwickelten sich bei ihr zwei Tumore am Sehnerv, die dazu führten, dass das zweijährige Kind Chemotherapie durchmachen musste, die zwei Jahre lang dauerte. Heute geht es allen soweit gut und Claas Röhl hat als Patientensprecher wirklich viel in Gang gesetzt, damit diese seltene Erkrankung mehr erforscht und besser behandelt wird. Wie ging es ihm aber damals vor mittlerweile 14 Jahren, als er mit seiner Partnerin solche Therapieentscheidungen für ein Kleinkind treffen musste und welche Rolle spielte dabei das Bauchgefühl?
Claas Röhl: Ja, ist eine gute Frage. Ich glaube, Bauchgefühl hat man immer das kann man nicht ganz abschalten und jede Entscheidung, die man trifft, muss sich auch irgendwie richtig anfühlen. Gut fühlt sie sich ja dann nicht an, wenn man sagt, man muss jetzt eine eine Chemotherapie bei seinem kleinen Kind starten. Da kann man dann eigentlich nur sagen, okay, habe ich alles besprochen, verstehe ich die Informationen, verstehe ich die Lage, wie sie ist, habe ich alles an Fragen gestellt, die ich stellen konnte, alle Optionen mir angeschaut, Und dann ist die Entscheidung, die richtig ist, vielleicht trotzdem eine, die sich nicht richtig anfühlt vom Bauchgefühl her. Insofern ja ist das schwierig.
Was sich für ihn richtig angefühlt hätte? Wir haben ihn das nicht gefragt, aber ich nehme an, dass das einzige, dass sich richtig angefühlt hätte, gewesen wäre, wenn die Krankheit seiner Tochter einfach verschwunden wäre, einfach in Luft aufgelöst, die Krise gebannt, die Krankheit weg.
Das Schlimme dabei ist, und das ist keine direkte Erfahrung von Claas Röhl, aber ich möchte es hier kurz einschieben, denn es knüpft direkt an etwas an das klar sagt, nämlich, dass die Entscheidung, die richtig ist, trotzdem nicht eine ist, die sich richtig anfühlt. Also das Schlimme dabei ist, dass es Menschen gibt, die hier dieses Gefühl von Patient:innen und Angehörigen ausnutzen, um damit sehr, sehr viel Geld zu verdienen. Für egal, welches Problem gibt es Menschen, die einem ein Wundermittel dagegen anbieten, die das große Versprechen abgeben, alles heilen zu können und die Krise auf einem einfachen Weg einfach finden zu lassen, die direkt an das Gefühl anknüpfen, dass sich etwas innerhalb unseres Gesundheitssystems nicht richtig anfühlt, obwohl es richtig ist. Mitverantwortlich dafür ist bestimmt auch, dass unser Gesundheitssystem überlastet ist und dass man sich innerhalb dieses Systems, das auf Effizienz und nicht auf Einzelpersonen ausgerichtet ist, sehr oft alleine oder alleine gelassen fühlt. Ärztinnen und Ärzte und oft auch das Pflegepersonal haben nicht ausreichend Zeit und können oft auch Information nicht gut vermitteln. Sie halten sich an evidenzbasierte Regeln, an Vorschriften, die aus guten Gründen erstellt wurden und Statistiken, die wiederholbare Studien zur Grundlage haben. Aber sie können oft nicht verstehen, wen genau sie da vor sich haben. Sie können alleine aus zeitlichen Gründen nicht unbedingt den gesamten Menschen mit all seinen Sorgen, aber auch positiv mit all seinen Ressourcen oder seinem Lebensumfeld sehen oder verstehen.
Aber wie geht es uns als Menschen in diesem System? Wo findet man den für sich richtigen Weg. Woran versteht man, was richtig ist, obwohl es sich nicht richtig anfühlt? Und woran versteht man, was eben falsch ist, weil es sich nicht richtig anfühlt? Claas Röhl sagt:
Claas Röhl: Deswegen glaube ich, ist vor allem das Bauchgefühl wichtig in den Gespräch mit den Ärztinnen, dass man da, wenn man das Gefühl hat, hm, weiß jetzt nicht genau, wie das keine vielleicht ein Bauchgefühl auch in der Sinne von, ich bin mir nicht sicher, ob ich das jetzt verstanden habe, was da erzählt wurde, dass man dann wirklich immer sich nicht davor scheut nachzufragen. sich das vielleicht ein zweites, ein drittes Mal erklären zu lassen, bis man wirklich das Gefühl hat, so jetzt der jetzt verstehe ich's. auch vielleicht wenn man vor einem Arzt oder Ärztin sitzt, die Kompetenz beweisen will, indem er oder sie möglichst viele Fachausdrücke verwendet. Das ist ja auch so ein Thema. Nicht jeder Arzt, nicht jeder Ärztin schafft es laienhaft etwas zu erklären. Also auch da nicht sich zu schämen. Ich habe das jetzt nicht ganz verstanden. Ich frage jetzt lieber gar nicht nach, weil sonst kommt heraus, dass ich das Wort nicht kenne, was mir da erzählt wurde. Also auch da wirklich zu sagen, nein, ich frage nach, ich stell sicher, dass ich alles verstanden habe. ja, schwierige Frage mit dem Bauchgefühl.
Was ich hier bei Claas Röhl, aber auch bei ganz vielen anderen Menschen immer und immer wieder höre, ist die Ermutigung, sich zu trauen. Trauen Sie sich nachzufragen. Trauen Sie sich Ihr Gefühl ernst zu nehmen, dass da doch etwas nicht ganz richtig sei oder richtig verstanden worden ist. Wie das denn aussehen kann, wenn man sich traut, das hat mir ein Mensch erzählt, der sich auch als Patientenvertreter einsetzt für eine andere seltene Erkrankung, nämlich für Peter Loffelhardt. Er selbst ist davon betroffen und wurde in den 1990ern diagnostiziert. Als die allerwenigsten Ärztinnen und Ärzte so wirklich ganz genau wussten, was es denn mit dieser Form von Blutkrebs auf sich hat. Als er dann 60 wurde, sollte Peter, der Schweizer ist und in Spanien lebt, mit 60 also sollte laut seinem Arzt, den er lange kannte und dem auch vertraute, die für ihn etablierte Therapie umgestellt werden.
Peter Loffelhardt: Und ich habe dann gesagt, hör mal, gestern war ich 59 und da war ich okay und jetzt heute, ich habe zwar gut geschlafen und heute bin ich ein ein High Risico Patient, das geht doch nicht. Das kannst du mir nicht, das kannst du mir nicht erklären. Ich sag Ich will kein neues Produkt, weil ich mich gut fühle. Und der Kampf ging fast 9 Jahre lang, bis dann meine Milze einfach größer geworden ist. Und das habe ich dann gesehen, dass ich da plötzlich ein riesen Milz habe und dann mussen wir umstellen auf auf ein anderes Medikament, ne? Aber das sind so die Sachen nicht, wenn man sagt, das ist du bekommst jetzt einen High Risk Patienten, weil du 60 Jahre alt bist, ne?
Das ist wohl der große Widerspruch, indem wir uns hier bewegen, dass wir in diesem medizinischen System zwei Facetten haben. Einerseits einen individuellen Menschen, der, wie ich sagen würde, sich mit dem eigenen Körper am allerbesten auskennt, weil man selbst diesen Körper am längsten kennt und andererseits ein System, das Menschen nach Risikofaktoren und statistischen Wahrscheinlichkeiten bewertet und damit auch recht hat. Aber welcher Anteil entscheidet? Irene Promussas hat beide diese Anteile sogar in sich selbst vereint. Sie ist Naturwissenschaftlerin. in der Krebsforschung und Pharmazeutin. Und sie ist Mutter einer Tochter, die mit einer seltenen chronischen Krankheit geboren wurde, die sich kongenitaler Hyperinsulismus nennt. Und das hieß, dass beide nach der Geburt noch über ein halbes Jahr lang im Krankenhaus verbrachten. Therapien und Operationen eingeschlossen, immer mit dem Versuch herauszufinden, was denn jetzt genau diesem kleinen Baby helfen könnte, denn so genau wusste das damals niemand.
Irene Promussas: Die ersten alleine Jahre mit so einer seltenen Erkrankung, wo auch die Medizinerinnen sehr wenig gewusst haben, ja, waren extrem schwierig und ich habe mich sehr, sehr oft auf meine Intuition verlassen müssen und Gott sei Dank hat mir mein naturwissenschaftliches Studium da wahnsinnig gut geholfen, weil es sehr oft auch um Infusionsraten ging oder um Berechnungen von Medikationen …
Und sie hatte einen wesentlichen Vorteil gegenüber der Mediziner innen.
Irene Promussas: Ich war halt 24 Stunden am Tag an die Kind dran und ich habe sie beobachten können und ich habe auch gesehen, welche Entscheidungen vielleicht nicht so gut waren. Also jetzt gar nicht nur von von meiner Seite, sondern auch wenn Medizinerinnen was ausprobieren wollten, was an einer Uniklinik natürlich auch normal ist. Ja, und nachdem ich selber gerade mitten in der Forschung gesteckt bin, habe ich das auch verstanden. Also, ich wollte ja für mein Kind selber gute Lösungen oder neue Ideen haben.
Die medizinische Behandlung hieß in ihrem Fall, im Fall ihrer Tochter oft, dass man Dinge ausprobieren musste, denn man wusste es einfach nicht, weil es eine seltene Erkrankung ist und man damals noch sehr viel weniger über diese Krankheit wusste, aber auch, weil Medizin eben immer ein Ausprobieren ist.
Irene Promussas: Also, es war immer so ein so ein Ding zwischen was sagt die Wissenschaft, was sagt mein Gefühl dazu? ja, also so ein so ein immer so ein hin und her abwägen, aber ich glaube, also nachdem mein Gefühl mir dann immer gesagt hat, ja, das ist jetzt richtig so, habe ich mich dann auch immer sicher gefühlt, obwohl ich heute gar nicht jetzt sagen kann, ob das immer jetzt nur mental begründet war oder vernünftig begründet war oder ob es manchmal einfach auch nur eine Bauchentscheidung war.
Auch Irene Promussus hat einen Verein gegründet. Lobby for Kids heißt er. Eine Lobby für Kinder, die sich für Inklusion einsetzt und bei der Familien speziell mit Kindern mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen niederschwellig und anonymisiert nach Hilfe fragen können. Was mir durch ihre Erzählung aber klar wurde, ist eine ebenso einfache wie unfassbar schwierig zu akzeptierende Wahrheit, wenn es um Entscheidungen geht. Denn so sehr man sich wünschen würde in die Zukunft schauen zu können, die Konsequenzen einer Entscheidung in jedem Detail abschätzen zu können, oder auch einfach nur zu verstehen, dass wenn ich mich so entscheide, dann habe ich mit dieser Liste an Dingen zu rechnen. So sehr man sich das wünschen würde, so ist das Leben einfach nicht.
Irene Promussas: Manchmal kann man nicht sagen, ich weiß jetzt noch nicht, ob das wirklich die richtige Entscheidung war. Ja, also manchmal weiß man es einfach nicht in dem Moment und dann kann man nur drauf vertrauen. man muss den Leben auch ein bisschen vertrauen und sagen, ich schaue jetzt, wie es weitergeht und ich kann nur einen Schritt nach dem anderen machen.
Selbst wenn man nicht in einer so unfassbar harten Krise und Ausnahmesituation steckt wie Irene Promussas, kann man immer nur einen Schritt nach dem anderen machen. Man muss lernen sich selbst und so wie sie sagt dem Leben zu vertrauen. Und das ist vielleicht heute schwieriger denn je, denn sie sagt auch,
Irene Promussas: Ich glaube, dass es eine Krankheit unserer Zeit ist, dass wir glauben, immer alles gleich erledigen und entscheiden zu müssen. Das geht nicht. Ja, ich war selber so eine Person. Ich bin eine extrem entscheidungswillige und ich wollte, wie ich jung war, immer alles schnell erledigen und so. Nein, man muss manche Sachen wirklich sich setzen lassen und manchmal muss man auch drei Tage warten, bis man bis man im Kopf soweit gereift ist, dass man sagt, okay, jetzt weiß ich, was ich will.
Den Druck aus der Entscheidung rauszunehmen und auch dem Irrglauben nicht zu erliegen, dass man sofort und immer die perfekte Lösung haben könnte, denn wir leben in einer Zeit, in der Lösungen immer parat zu sein scheinen. Wir können im Internet bestellen und haben es wenige Tage später vor unserer Haustüre liegen. Wir glauben, dass wir alles jetzt und sofort lösen können. Aber diese Ausnahmesituation, die eine chronische Krankheit oder eine schwere Diagnose mit sich bringt, führt uns vor Augen, dass das eben nicht so ist. Und da gilt es, den Druck von uns selbst ein Stückchen weit wegzunehmen. Wie die klinische Psychologin Lisa Göschlberger sagt:
Lisa Göschlberger: Was wir natürlich auch oft machen, ist so diese, dass ich auch so, wir nennen das so ein kognitiver Fehler, den wir alle haben, so diese Verantwortung übernehmen. Ja, und auch oft teilweise so diese übertriebene Verantwortung, ja? Das heißt auch zu sagen, okay, was ist meine Verantwortung und was ist es nicht? Ja, und was ist meine, was ist halt im Rahmen meiner Möglichkeiten möglich und was nicht? Ja, und ich glaube, das ist schon ganz was Wichtiges. Ja, was ist meine Schuld und was nicht? Ja, ich glaube, meine Schuld ist es nicht, dass ich mit einer Situation überfordert bin. Ja. Nein, weil wir sind alle mal überfordert. Die Frage ist, wie gehe ich mit so einer Situation um und wenn ich mir in so einer Situation Hilfe hole, ja, dann habe ich in dieser Situation gut gehandelt, ja, in einer schwierigen Situation das gemacht, was möglich war. Ja, nicht mehr und nicht weniger.
Man darf sich also Zeit nehmen. Man darf erstmal Gefühle haben, die unangenehm sind. Man kann sich selbst Zeitfenster nehmen oder einen Sorgen Stuhl einrichten. Man kann sich Hilfe aus dem Umfeld oder professionelle Hilfe holen. Man kann lernen, zu verstehen, dass man nicht für alles verantwortlich ist, um dann die Verantwortung, die man hat, in die Hand zu nehmen. Und man kann lernen, versuchen zu akzeptieren, dass es keine einfache, keine perfekte und vielleicht auch keine sich gut anfühlende Entscheidung gibt und dann mit all diesem Wissen abwägen und entscheiden. Und genau um dieses Abwägen wird es in der nächsten Episode gehen:
Wie sortiert man medizinische Informationen? Was ist überhaupt relevant oder eine richtige Information? Und wie lernt man sich in einem Gesundheitssystem zurechtzufinden, das nicht unbedingt viel Zeit für eine einzelne Person mit all ihren Fragen, Sorgen und Zweifeln hat? Wenn Sie diese Folge nicht verpassen wollen, dann abonnieren Sie am besten diesen Podcast und wir würden uns auch freuen, wenn Sie uns eine Sternebewertung in Ihrer Podcast App hier lassen, denn das hilft wiederum anderen diesen Podcast zu finden. Ja, und damit sage ich Tschüss und wünsche Ihnen einen schönen restlichen Tag, wo auch immer Sie gerade sind.
Neuer Kommentar